Da gibt es ein kleines Neubaugebiet mit einigen wenigen Haeusern am Ortseingang zum Dorf in dem wir wohnen. Vor Monaten rueckten die Bagger an und begannen eine Stichstrasse in die Wiese zu bauen. Mittlerweile steht das erste Haus schon im Rohbau. Das ist nicht weiter verwunderlich. An vielen Stellen wird gebaut. Als dann aber einer der Bagger anfing, mitten ueber die angrenzende Wiese weiter zu baggern, immer an der Gillbach entlang, da kam mir das schon etwas komisch vor. Jeden Morgen auf dem Weg zur Schule und zum Kindergarten bin ich mit den Kindern an dieser Baustelle vorbeigekommen, an der kein Schild aufgestellt war, das Auskunft darueber gab, was dort nun wirklich gebaut wird. Anfangs habe ich gedacht, dieser einzelne Baggerfahrer, der da so voellig widersinnig und planlos, so schien es mir, auf der Wiese herumbaggerte, wuerde irgendeine Art Abwasserkanal oder Gaszuleitung verlegen wollen. Als die Arbeiten dann aber Gestalt annahmen war zu erkennen, dass die ausgebaggerte Grube nicht geradlinig war, sondern sich wie ein Lindwurm durch die Wiese schlaengelte. Da war mir die Sache klar. Es musste etwas mit der knapp daneben verlaufenden Gillbach zu tun haben.
Ein „Paradies“ fuer jeden Baggerfahrer. Nicht schon wieder so eine eintoenige Kellergrube fuer ein Einfamilienhaus. Die ausgehobene Erde wurde spaeter dazu benutzt, das alte Flussbett zuzuschuetten. Ein weiterer Teil wurde auf der Wiese verteilt.
Einige Doerfer weiter sind solche Arbeiten schon abgeschlossen. Davon hatte ich gehoert. Dass aber auch hier solche Arbeiten geplant waren, wusste ich nicht. Ein wenig Recherche im Internet ergab, dass es sich um eine „Hydromorphologische Maßnahme“ handelt.
Ob die leichten Kurven der Gillbach lange standhalten werden bleibt abzuwarten. Nach der Flutung und dem Zuschuetten des alten Bachbettes brachen grosse Stuecke aus dem Ufer heraus.
Muss ich jetzt wissen, um was es sich bei einer hydromorphologischen Maßnahme handelt? Ich denke nicht. Zu meiner Zeit hat man das naemlich mit deutschen Worten eine Flussrenaturierung genannt. Soll also heissen, die Gillbach wird an dieser, wie auch an vielen anderen Strecken, wieder in einen Zustand zurueckversetzt, in dem sie zu Zeiten unserer Urgrossvaeter einmal war. Jedenfalls optisch, denn ein natuerlicher Wasserlauf ist die Gillbach schon lange nicht mehr. Ihre natuerliche Quelle musste schon vor Jahrzehnten den Tagebauen Bergheim und Fortuna Garsdorf weichen. Heutzutage wird die Gillbach groesstenteils aus Kuehlwasser des Kraftwerks Niederaussem und aus geklaerten Abwaessern einer Klaeranlage gespeist. Mal abgesehen von ueberschuessigem Regenwasser, das von den Feldern rechts und links der Gillbach hinzu fliesst. Von daher ist auch die Wasserqualitaet nicht die beste. Es ist auch schon mal zu einem Fischsterben groesseren Aussmasses gekommen. Besonders interessant ist die Tatsache, dass im Oberlauf bachabwaerts der Kuehlwassereinspeisung des Kraftwerks aufgrund der das ganze Jahr ueber hohen Wassertemperatur sogar exotische Fische in der Gillbach leben sollen, die von Aquarianern ausgesetzt wurden.
Das erste Wasser im neuen Bachbett. Auf der rechten Seite wurde das Ufer schon so gestaltet, wie es sein soll. Hinter den Baeumen am Feldrand befand sich das alte Bachbett. An einer Stelle wurde sogar ein kurzes Stueck des alten Bettes belassen und mit dem neuen Bachbett verbunden, sozusagen ein Altarm.
Jedenfalls werde ich diese „Baustelle“ fuer die naechste Zeit immer mal wieder besuchen und mitverfolgen, wie sich die Natur die Uferboeschungen und die wenigen Meter rechts und links zurueckerobert. Es wird mit Sicherheit interessant sein zu verfolgen, in welcher Reihenfolge sich dort Pflanzen ansiedeln, und welche sich auf Dauer durchsetzen. Einen kleinen Vorgeschmack bekommt man auf einem PDF des Erftverbandes, wo eine hydromorphologische Maßnahme an der Gillbach mit einem Beispiel an anderer Stelle desselben Baches bebildert gezeigt wird. Zwischen einem und 5 Jahren nach der Renaturierung sind dort Bilder zu sehen, die zeigen wie die Gillbach in einigen Jahren wieder aussehen soll.
Wenn meine Informationen richtig sind, kostet die hydromorphologische Massnahme an der Gillbach 150 Euro pro laufendem Meter. Viel Geld um einen Fehler auszubuegeln der vor vielen Jahren begangen wurde.
Ist doch irgendwie paradox. Die ersten menschlichen Siedlungsspuren entlang der Gillbach sind aus der juengeren Steinzeit, in der Mitte des letzten vorchristlichen Jahrhunderts nachweisbar. Wahrscheinlich floss die Gillbach Jahrtausende friedlich vor sich her, bis sich der Mensch entschloss, dem ein Ende zu machen. Die Menschen haben zwar schon frueh erkannt, dass die Boeden entlang des Baches fruchtbar sind und haben dieses Gebiet fuer ihre Landwirtschaft genutzt. Aber sie lebten mit der Natur und nicht gegen sie. Dann kam die Industrialisierung und das, was sich viele Jahrtausende als gut und bewaehrt herausgestellt hatte, war auf einmal nicht mehr gut und richtig. Ploetzlich war die Natur mit ihren Fluessen und Baechen nicht mehr genehm. Solch ein Baechlein war im Weg, behinderte die industrielle Landwirtschaft und passte einfach nicht mehr in die moderne Zeit, in der alles einen Nutzen haben musste, oder wenigstens nicht hinderlich sein durfte. Unreguliert und ungezaehmt war sie ein Dorn im Auge. Da musste eingegriffen werden und, wie viele andere Baeche und Fluesse, musste die Gillbach ihr Bett verlassen und wurde in ein kanalaehnliches Bett umgelegt.
Kein besonders idyllischer Anblick. So sieht die Gillbach ueber weite Strecken aus. Ein schnell fliessender Bach mit wenig Kurven, kaum Uferbewuchs und unmittelbar an die Felder grenzend. Unter natuerlich stelle ich mir etwas anderes vor. In meiner Kindheit habe ich sogar einmal an der Gillbach geangelt. Ich kann mich sogar erinnern, einen kleinen Aal gefangen zu haben.
Jetzt, einige Generationen weiter, wird mit viel Aufwand und viel Geld alles wieder rueckgaengig gemacht. Die Veraenderungen, die vor Jahrzehnten als fortschrittlich und notwendig verkauft wurden, werden zurueckgebaut um wieder ungefaehr dahin zu kommen, wo die Gillbach schon einmal war. Hoffen wir mal, wir haben daraus gelernt.
2 Antworten
Ich finde es gut, wenn der Mensch mal Fehler einsieht und zu korrigieren versucht.
Bei uns hier ist gerade etwas Ähnliches geplant: Der Grundwasserspiegel ist in den letzten Jahren massiv angestiegen, viele neue Häuser schwimmen im Wasser. Und was hat das Expertenteam jetzt ausgeklügelt? Richtig: Die alten Gräben müssen wieder frei gemacht werden, die aufgrund der großen landwirtschaftlichen Maschinen hier im Gemüseanbaugebiet in den letzten Jahrzehnten zugeschüttet wurden. Hatten also schon ihren Sinn, die natürlichen Wasserläufe, Grundwasserspiegelschwankungen wurden damit gut abgefangen.
Ich bin jedenfalls neugierig, wie die Natur sich rund um den renaturierten Graben bei dir entwickelt.
Liebe Grüße, Margit
Hallo Margit
Richtig, spaete Einsicht ist immer noch besser als gar keine. Ich habe nur schwer die Befuerchtung dass die Menschheit eben doch nur aus Fehlern lernt. Die muessen erst auf die „Schnauze fallen“ um zu erkennen das man sich dabei nur eine blutige Nase holt. Wenn ich die Diskussionen um den CO2 Gehalt in der Luft verfolge, dann wird mir uebel. Erst letztens habe ich z.B gehoert das man darueber nachdenkt, im Weltall Millionen von Spiegel zu positionieren um das Sonnenlicht abzulenken. Tolle Idee :). Und wenn ich die AKWs betrachte, an deren Hinterlassenschaften die Menschheit noch Tausende von Jahren ihren Spass haben wird, dann frage ich mich wo die Einsicht bei den Verantwortlichen war, die eine Laufzeitverlaengerung durchgesetzt haben. Ich kann mir nicht helfen, die Menschen sind schon komische Geschoepfe.
Gruss RR