Stellen Sie sich doch mal einen Gemüsebauern vor. Wen sehen Sie da vor sich? Einen korpulenten aelteren Mann auf seinem Traktor, Kappe tief ins Gesicht gezogen, einen Anhaenger voller Weisskohl hinter sich her ziehend? Einen schlacksigen „Neureichen“ in einem schicken Anzug, der mit seiner Nobelkarosse vorgefahren kommt, um das Geld zu kassieren, welches die polnischen Landarbeiter auf seinem, von der EU gepaeppelten riesigen Stueck Land fuer ihn erwirtschaftet haben? Noch mehr Beispiele?
Jedem sein Bild vom Landwirt
Ich bin sicher, jeder von uns hat eine gewisse Vorstellung davon, wie er sich einen klassischen Gemuesebauern vorstellt. Aber, ich bin sicher, den Landwirt, oder besser den werdenden Landwirt der neueren Art, den ich Ihnen in meinem heutigen Video vorstelle, den haben Sie ganz sicher nicht vor ihrem geistigen Auge gesehen. Ich spreche von Jonny, gelernter Molekularbiologe, Mitte Dreissig, der in seinem gelernten Beruf keine Zukunft sah und sich kurzerhand dazu entschlossen hat, in den Gemueseanbau einzusteigen.
Ein schwieriges Terrain
Jetzt ist der Anbau von Gemuese eine knifflige Angelegenheit. Der Markt ist hart umkaempft, die Margen sind eher gering und das Risiko gross. Mal stimmt das Wetter nicht, mal wird der Markt ueberflutet und die Preise fallen ins Bodenlose. Mal produziert der chinesische Produzent erheblich billiger oder die Einfuhrbeschraenkungen und Marktregulierungen auf dem Weltzuckermarkt werden neu gemischt. Hoefesterben, Karottenberge, Radieschenschwaemme und was es alles gibt. Wohl kaum ein Job, der so viele Unwaegbarkeiten mit sich bringt, wie der des Landwirtes.
Besser zur Bundeswehr oder in die Politik 🙂
Man sollte meinen, wer sich heute noch dazu entschliesst, Gemuesebauer zu werden, der „kann nicht alle Tassen im Schrank haben“. Jobs bei VW oder bei der Bundeswehr sind da doch um einiges zukunftssicherer und wohl auch erheblich weniger anstraengend. Die einen geniessen den absoluten Schutz der Herrschenden, egal was sie auch anstellen und die anderen gehen mit 45 in Rente. Also was treibt jemanden dazu, sich unter diesem Voraussetzungen dem Gemueseanbau zu verschreiben?
Weil es ein guter Beruf ist
Ist doch ganz klar. Kann es ueberhaupt einen Beruf geben, der natuerlicher ist? Kann es ueberhaupt eine Beschaeftigung geben, dessen Wertschaetzung so hoch sein sollte, wie die des Landwirtes? Schliesslich sind es die Landwirte, die dafuer sorgen, dass Sie und ich was zwischen den Zaehnen haben, auf dem wir kauen koennen (ok, bei mir vielleicht nicht ganz so viel 🙂 ). Vielleicht mag das dem ein oder anderen nicht mehr ganz klar sein. Aber es sind eben diese Landwirte, die unser aller Leben sichern. Aus einem Computerdrucker ist noch kein Salat herausgekommen, aus einer Internetleitung noch keine Milch und es hat auch noch kein Handy gegeben, welches eine Karotte produziert hat. Gerade den juengeren Lesern scheint mir, diese Tatsache doch nicht mehr ganz klar zu sein.
Kein Traeumer
Jetzt ist Jonny aber auch kein Traeumer. Als konventioneller Landwirt hat er keine Chance. Das weiss er. Die Investitionen zu hoch, das Wissen zu gering und auch das fruehe Aufstehen ist nicht sein Ding. 🙂 Aber es gibt Alternativen und genau fuer eine dieser Alternativen hat sich Jonny entschieden.
Jonny orientiert sich naemlich an schon bestehenden Projekten. Da ist zum einen Curtis Stone, dessen YT Kanal ich nur jedem ans Herz legen kann. Und zum anderen Jean-Martin Fortier. Beides Landwirte, oder sagen wir besser Gemueseproduzenten der neuen Generation, die andere, alternative Wege des Gemueseanbaus gehen. Nix mehr mit hektarweise Agrarwueste, nichts mehr mit Millionenverschuldung fuer den neuen Kuhstall und auch nichts mit Giftspritze und Weltmarkt. Nicht einmal einen Traktor.
Keine Utopie sondern ein bewaehrtes Konzept
Beide verfolgen andere Wege des Gemueseanbaus. Und die sind nicht einmal utopisch. Besonders Curtis Stone fasziniert auch mich immer wieder mit seinem Projekt des urbanen Gaertnerns. Gemueseanbau auf kleinen Flaechen, ja teils in Privatgaerten. Aber hoch profitabel. Und es gibt weltweit schon viele, die es ihm gleich machen.
Ich empfehle Ihnen, sich den Kanal von Curtis Stone einmal anzusehen, damit Sie wissen, wovon ich spreche. Habe naemlich keine Lust, Ihnen das hier alles zu verklickern. 🙂
Das wird schon werden
Gut,Jonny steht mit seinem Vorhaben noch ganz am Anfang. Und wie das im Leben so ist, jeder Anfang ist schwer und steinig. Aber es ist ein guter Schritt, den Jonny gewaehlt hat. In Essen, auf der Bonnekamphoehe versucht er sich an den Gemueseanbau nach amerikanischem Vorbild heranzutasten. Wie er das genau tuen moechte, welche Gedanken ihn dazu treiben und was und wie er sein Vorhaben umsetzen moechte, in meinem heutigen Video.
Ich bedanke mich bei Jonny fuer die Einladung und wuensche ihm alles erdenklich gute und viel Erfolg. Wenn ich dann in 5 Jahren wieder komme, hoffe ich, den profitabelsten Gemuesebauern Deutschlands vorzufinden. 🙂
Eine Antwort
Nicht falsch verstehen, ich find’s genauso wichtig und spannend, wenn neue Wege des Agrarbaus erschlossen werden – besonders im städtischen Raum (der ja mehr und mehr Land frisst und in Zukunft weiter fressen wird).
Aber
was genau hier urban ist, zog irgendwie an mir vorbei. Vielleicht wäre Micro-Farming ein besserer Begriff. Sieht für mich nämlich nach herkömmlichem Ackerbau aus, der in kleinerem Stil betrieben wird. Sicher keine leichte Sache, vor allem, wenn das profitabel werden soll – an der Stelle meine gedrückten Daumen an Johnny!
Was ich eher unter urban farming verstehe, wären große Hydroponik-Farmen im Stile des Venus Projects. Die können auch mitten in der Stadt stehen und sparen noch mehr Fläche (und die Erde spart man sich obendrein auch noch).
Wäre klasse, wenn es hier mal so eine Reportage über eine Hydroponik-Anlage gibt 🙂
Grüße!