Erstaunlich, wie sehr der Mensch doch von seiner Erziehung, seinen Erfahrungen und seiner Umwelt gepraegt ist! Man koennte es auch anders ausdruecken: Was der Bauer nicht kennt, dass isst er nicht.
Ich hatte mich ja immer fuer einen, in nahrungstechnischen Dingen, recht aufgeschlossenen Menschen gehalten. Europaeische Kueche ist fuer mich kein grosses Problem. Bis auf Austern, Schnecken und diese spanischen Korallen, die wie kleine Penisse aussehen, von Kennern der Materie auch Percebes genannt, schreckt mich so schnell nichts ab. Auch bei Gerichten aus ferneren Laendern habe ich bisher wenige Bedenken gehabt. Ob das nun irgendwelche unbekannten Meerestiere in Mittelamerika gewesen sind, ob es nun Hundefleisch Padang Food auf Indonesien gewesen ist (und was weiss ich noch was da alles drin war), oder ob es ein What a Burger in den USA war, ich habe nie gross Federlesens damit gemacht.
So wirklich appetitlich sehen Ocaknollen ja nicht aus. Oder liegt es an mir?
Und selbst mit dem Gemuese, Oxalis tuberosa, Oca oder auch Sauerklee genannt, um das es in meinem heutigen Bericht gehen soll, haette ich in Bolivien bestimmt keine grossen Probleme gehabt. Haette ich es auf irgendeinem Nightmarket vorgesetzt bekommen, ich haette es mit Heisshunger verspeist. Dort haetten es ja alle getan. Ich haette gesehen, wie es fachmaennisch und traditionell zubereitet wird, ich haette meinen Tischnachbarn zugesehen, wie sie sich die Finger danach abgeleckt haetten, und genau so haette ich es wohl auch gemacht.
Der Anbau von Oca ist denkbar einfach. Rein in die Erde und wachsen lassen. Keine Schaedlinge, keine Schnecken, kein Unkraut. Was will man mehr.
In der heimischen Kueche sieht die Sache allerdings ein klein wenig anders aus. Habe ich doch im Fruehjahr, bei meiner grossen Saatgutbestellung auch einige Knollen Oca bei Dreschflegel bestellt. Klar, was Neues auszuprobieren gehoert ja mit zum Hobbygaertnern. Kleine rote schrumpelige Knoellchen, die schon weit vorgekeimt waren, sind mir da geliefert worden. Ich habe sie nach Vorschrift ausgepflanzt und mich nicht weiter drum gekuemmert. War auch nicht noetig. In der ersten Zeit sind sie nur maessig gewachsen, als dann aber im Sommer der grosse Regen begann, haben sie sich derart ausgebreitet, dass sie die dafuer vorgesehen Flaeche weit ueberschritten haben.
Nur Platz brauchen sie. Bei uns haben sie sich bei genuegend Feuchtigkeit rasant ausgebreitet und die Nachbarkulturen vollkommen ueberwuchert.
Dann, vor vielleicht vier Wochen, habe ich mal eine Pflanze aus der Erde gezogen. Waren zwar kleine Knoellchen dran, die aber in der Groesse noch weit von denen entfernt waren, die ich gepflanzt hatte. „Wieder so ein Ding, was lustig anzusehen ist, aber nicht unbedingt in den Garten gehoert“ habe ich mir schon gedacht.
Der erste Frost hat ihnen nicht gut getan. Alle oberirdischen Teile der Ocas sind abgefroren.
Ich habe sie aber stehengelassen und gewartet. Vor einigen Tagen hatten wir hier die ersten leichten Nachtfroeste. Die haben den Ocas nicht gut getan. Eine Nacht hat gereicht, um die oberirdischen Teile absterben zu lassen. So bin ich also wieder hin und habe nachgesehen. Und siehe da, aus den vormals winzig kleinen Knoellchen hatten sich doch einige zu der Groesse entwickelt, mit der ich sie bekommen habe. Haette der Frost noch etwas auf sich warten lassen, so haette ich bestimmt eine „Super“-Ernte einfahren koennen (es sind ja noch welche uebrig). So blieben aber, neben einigen groesseren, nur viele viele kleine Knoellchen von der Groesse einer Murmel und kleiner uebrig.
Anbau und Ernte sind eine Seite der Medallie. Die Zubereitung und vor allem der Verzehr ist die andere. Wenn man sich auf den Rezeptseiten im Internet umsieht, dann sind sie nicht gerade vollgestopft mit Rezepten, wie man Ocaknollen zubereitet. Da ich ja nun nicht gerade zu den begnadetsten Koechen Deutschlands zaehle, blieb mir nichts anderes uebrig, als sie auf meine Art und Weise zuzubereiten. Die ist naemlich immer gleich. Kochen oder duensten, Rein in die Pfanne, Speck und Zwiebeln dazu. Ein wenig Salz und Pfeffer. Fertig. So zubereitet hat bisher alles geschmeckt.
So einfach ist ernten. Aus der Erde ziehen und die Knoellchen einsammeln. Wenn sie nur ein wenig groesser waeren.
So stand ich dann also in der Kueche, vor mir ein Teller mit unbekannten Knoellchen aus fernen Laendern, die beim Duensten ihre nette rote Farbe verloren hatten und fragte mich, ob ich sie nun essen soll oder nicht. Wie zu Beginn geschrieben, der Mensch ist das Produkt seiner Erziehung, seiner Umwelt und seiner Erfahrungen. Mit diesen Dingern hatte ich nun keinerlei Erfahrungen. Vorher nie davon gehoert, nie gesehen und schon gar nicht probiert. Vielleicht liegt es doch am Alter, dass es mir immer schwerer faellt, bei Dingen die ich nicht kenne, den ersten Bissen in den Mund zu schieben.
Die sehen doch lecker aus, nicht wahr? 🙂 Da moechten Sie doch gleich mal reinbeissen. Moechte vielleicht jemand ein paar Knoellchen haben? Ich habe noch.
Ich habe es dann aber doch gemacht. Ich koennte nicht mal sagen, dass Oca nicht gut schmecken wuerde. Sind sie nicht ganz gar, schmeckt man schon eine gewisse Saeure. Das ruehrt vom Oxalsaeuregehalt her. Wobei die Staengel und Blaetter um ein vielfaches mehr an Oxalsaeure enthalten sollen als die Knollen. Trotzdem werden auch die Staengel in Suedamerika teilweise als Gemuese verzehrt. Nachdem sie allerdings gut gar waren, war davon kaum mehr etwas zu schmecken (das Kochwasser sollte weggeschuettet werden) . Hatten Aehnlichkeit mit Kartoffeln. Sowohl die Konsistenz, als auch der Geschmack.
Dass sich Oca aber zu meinem Leibspeisen mausert, wage ich zu bezweifeln. Obwohl, der Anbau ein Kinderspiel, die Ernte ganz einfach, keine Krankheiten oder Schaedlinge. Was will man mehr. Rein in die Erde und Warten. Sie sind in meinem Garten so ausdehnend gewachsen, nicht einmal das Unkraut hatte gegen den Klee eine Chance. Vielleicht im Herbst ein Vlies oder eine Noppenfolie aufgelegt und die Ocas vor den ersten Froesten schuetzen, mag die Knoellchengroesse noch etwas in die Hoehe treiben. In der Kueche muss man sie nicht einmal schaelen. Gut waschen und eventuell ein wenig abschrubben reicht voellig aus. Einfacher kann man sein Gemuese nicht anbauen.
Vielleicht wird uns Oca in den kommenden Jahren oder Jahrzehnten aber doch oefter begegnen. In Neuseeland soll Oca schon in groesserem Massstab angebaut werden. Wenn sich dann erst einmal die Zuechter der Knolle annehmen, wird es nicht lange dauern, bis sie auch bei uns im Laden zu finden ist. Fuer viel Geld versteht sich.
Eine Sache macht mich aber nachdenklich. Wir hatten vor einigen Wochen Besuch aus Bolivien zu Gast. Ich konnte es natuerlich kaum erwarten, ihnen mein „Klein-Suedamerika“ im Garten zu zeigen. Die Gesichter haetten sie sehen sollen. Unkenntnis und Erstaunen pur. Dass es sich um eine Art Klee handeln muesse, haben sie ja noch erkannt. Von Oca allerdings hatten die beiden noch nie was gehoert. Kann dann wohl doch nicht so populaer sein. Und dabei war ich so stolz darauf.
Uebrigens, auch andere Hobbygartenblogger haben sich schon an Oca versucht. Hier ein paar Links.
Kraeuter Garten und viel Zeugs sogar mit Rezept
CarpeDiem-living auch mit Rezept
anais 2317 ebenfalls mit Rezeptvorschlag
Und jetzt das Ganze noch mal im Video. Viel Spass.
Und hier noch einige Buecher zum Thema
Farbatlas Exotische Früchte: Obst und Gemüse der Tropen und Subtropen
Fruchtgemüse: Alte Sorten und außergewöhnliche Arten neu entdeckt
16 Antworten
Ich habe in Bolivien viele Jahre gelebt und meine bolivianische Familie hat Oca angebaut und auch sehr häufig gegessen. Ich glaube es kommt sehr darauf an wo man lebt. In den Tropen (Norden und Osten) kennt man sie wahrscheinlich nicht, um die Anden herum allerdings sehr. Die werden dort tatsächlich sehr groß (15 cm und mehr). Bevor man sie ist muss man sie aber auf besondere Art und Weise vorbereiten. In den Anden werden sie für einige Zeit in der Sonne liegengelassen (auf einem Tuch). Nachts mit reinnehmen, damit sie nicht erfrieren. Durch die Sonne wird ein Teil der Wurzel in Zucker verwandelt. Dadurch wird sie extrem süß. Man kann daraus sogar eine tolle Marmelade machen. Wir aßen sie meistens als Beilage (gekocht in Wasser wie Kartoffeln, dann kann sie noch als ganzes Stück angebraten werden) mit Kartoffeln und Reis/Quinoa/Mais/Habas/etc. Ausser, dass sie zu einer dicken Marmelade verarbeitet werden kann, habe ich NIE eine andere Zubereitungsart gesehen.
Inzwischen wachsen sie wieder eifrig, auch diejenigen die ich ausgegraben hatte, habe ich wieder gesteckt. Im Winter kannst du gern welche haben twini und auch wer sonst noch möchte.
gerne 🙂
Noch viel Glück mit deinen Pflanzen!
Hallo! Bin erst jetzt auf diese Website gestoßen. Hätten Sie noch von den Knöllchen?
Liebe Grüße
Daniela Zbinden
Nein, leider nicht
Ich wollte letztes Jahr eigentlich keine Oca mehr anbauen und dachte ich hätte alle abgegeben. Dann fand ich doch noch einen Rest im Keller und habe sie in zwei verschiedenen Beeten gesteckt. Sie haben diesen Nicht-Winter alle überlebt. Vor ein paar Wochen habe ich welche ausgegraben, sie stehen im Keller und treiben munter aus. Möchte sie jemand? Heute sah ich dass auch die, welche an einem immer feuchten, schattigen Standort gewachsen sind, sich gut gehalten haben. Dort wächst sonst kaum etwas, also werde ich sie lassen, dann ist wenigstens begrünt. Im anderen Beet sind ebenfalls noch viele drin. Man wird sie nicht mehr los!
LG Brigitte
falls du sie noch loswerden möchtest, ich nehm sie gerne 🙂 mirci@sms.at
Ich werde auch das Experiment wagen und heute Oca in den Garten pflanzen. Deshalb bin ich auf diese Seite gestoßen. Ich finde es sehr interessant was Du hier so alles anbaust.
Viel Freude weiterhin bei der Selbstversorgung wünscht Marie
Wie Du die Oca-Kultur in Deinem Garten beschrieben hast, so war es auch bei mir. Die Pflanzen breiten sich übermäßig aus. Die oberirdischen Teile sollen ja auch als Frischgemüse in Salaten verwendet werden können. Habe ich noch nicht probiert. Mir haben die Knollen schön kross gebraten am besten geschmeckt. Die Fläche, die die Pflanzen bedecken, steht allerdings in keinem guten Verhältnis zur Ernte. Ist eben ein Hobbyvergnügen. Weiterhin viel Freude bei der exotischen Gärtnerei!
LG Joachim
Hallo Joachim
Sicher, zum „sattessen“ ist das nicht geeignet. Aber versuchen kann man es ja mal. Ob ich es aber noch mal anbaue, weiss ich noch nicht.
Gruss RR
Hihi, Oca als Kartoffelersatz ist in der Tat nicht empfehlenswert. Ich esse niemals Knollengemüse als Kartoffelersatz – dann bin ich immer enttäuscht, also immer Kartofeln dazu und mischen 🙂
Dieses Jahr habe ich die winzigen Knollen in Minestrone mit Kartoffeln und Gemüse bereitet. Das war wirklich gut. Die Oca hatten eigentlich keinen Eigengeschmack und waren super.
Das der Besuch keine Oca kannte ist nicht verwunderlich, denn selbst in Südamerika sind diese Knollen Raritäten, die fast verdrängt wurden und daher auch wenig bekannt.
Hallo CarpeDiem-living
Und ich hatte mich so gefreut, ihnen eine tolle Ratritaet aus den Anden zeigen zu koennen. Pustekuchen.
Gruss RR
Ihr seit ja mutig und eßt das, ich kenne das Zeug nur als Tee, wird zubereitet wie Ingwertee. Ich denke mal ich kenne die Andenküche ganz gut, als Gewürz ist das da auch okay, aber als Bratkartoffelersatz ißt das bestimmt keiner dort.
Frohes Fest euch allen und einen starken Magen
Frank
Ich baue auch seit 3 Jahren Oca an. Dieses Jahr habe ich keine gesteckt sondern es sind nur welche gewachsen die den Winter überdauert haben. Das tun bei uns im Weinbauklima tatsächlich welche. Hatte sie im letzten Herbst mit Vlies abgedeckt und es lag Schnee. Allerdings haben auch den Winter zuvor ein paar überlebt, die ich beim ernten übersehen hatte. Vor zwei Wochen habe ich einige geerntet die ziemlich oben drauf lagen, sie waren schon recht groß, die anderen befinden sich noch im Boden, bedeckt mit einer dicken Laubschicht. Gegessen habe ich bisher noch kaum welche (bin auch schon etwas älter und erfahren ;-)). Werde aber mal dieses Universal-Rezept ausprobieren.
LG
Hallo Brigitte
Nein, besser nicht. Wenn du schon etwas aelter bist, dann kannst du vielleicht auch viel besser kochen als ich. Such dir ein eigenes Rezept, dann wirst du nicht endtaeuscht sein.
Gruss RR