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So wird der Verbraucher verschaukelt, oder warum die Landwirtschaft den Gegenwind nicht spuert? (Video)

Ich kann mir nicht helfen, aber mich erschleicht immer wieder der Gedanke, dass die Landwirtschaft, und alle, die damit zu tun haben, den Gegenwind einfach nicht spueren wollen. Augen zu, Ohren zu und Hirn abschalten. Und dann durch. Wird schon nicht so schlimm werden. Die werden sich schon alle wieder beruhigen.

Und damit sie das auch tun, ich meine damit den gemeinen Verbraucher, helfen wir ein wenig nach. Wir suchen uns ein paar Stellen auf den Aeckern des Landes aus, auf denen wir nicht spritzen und auch sonst nichts unternehmen, um dem Unkraut Herr zu werden, stellen daneben ein Schild mit der Aufschrift „Ernte in Gefahr“ auf, welches suggeriert, wir wuerden alle verhungern, wenn wir nicht mit diversen Giften aus der Agrochemiewelt hantieren wuerden und schuwpps, die Leute fallen darauf rein.

Die Ernte in Gefahr
Eine tolle Aktion. Wer sich keine Gedanken macht, faellt glatt drauf rein.

Die Pflanzenschuetzer

Der ganze Aktion geben wir dann noch einen einpraegsamen und pfiffigen Namen, so was wie „Die Pflanzenschuetzer“ und, ei der Daus, wieder ein paar Leute davon ueberzeugt, dass es ohne Chemie auf dem Acker nicht geht. Tolle Sache. Einfach eine geniale Idee.

Jeder Stadtmensch, der Sonntags an so einem Schild vorbei radelt, wenn er mit der Familie mal die Umgebung erkundet, wird sofort zustimmen. Offensichtlich, in diesem Spritzfenster, auf dem keine Chemie gelandet ist, muss man die Nutzpflanzen, in meinem Fall Zuckerrueben, schon mit der Lupe suchen. Melde, Hirse und diverse andere nette Pflaenzchen haben alles ueberwuchert. Da ist keine Ruebe mehr zu finden.

Ich nehme auch an, auf den vielen anderen Spritzfenstern im ganzen Land duerfte es genau so aussehen. Das wird jedem einleuchten, ohne all die nette Chemie geht es nicht. Der Untergang waere nahe.

Polemik pur.

Spritzfenster Die Pflanzenschuetzer
Bio heisst ja nicht, alles laufen zu lassen. Haben die Initiatoren wohl uebersehen.

So jedenfalls sehe ich diese Aktion, die der Industrieverband Agrar e.V. (IVA) im ganzen Land gestartet hat. Schauen Sie doch einfach mal auf die Internetseite der Pflanzenschuetzer. Sie werden bestimmt auch so ein Spritzfenster in Ihrer Gegend finden.

Selten so eine clevere und doch irrefuehrende Aktion gesehen. Otto Normalmensch wird sich eher weniger Gedanken darum machen, dass die Alternative ja nicht heisst: Chemie oder alles so laufen lassen, wie es kommt. Denn genau das wird mit dieser Aktion ja vorausgesetzt. Als ob die Biolandwirtschaft alles laufen liesse, ohne etwas gegen das Unkraut zu tun!. Die verwenden eben nur andere Methoden.

Die Pflanzenschuetzer
Da drin suchen Sie die Zuckerrueben vergeblich.

Jetzt halten Sie mich bitte nicht fuer naiv

Auch mir ist klar, dass es ohne Chemie auf dem Acker nicht mehr geht. Jedenfalls nicht flaechendeckend und mit der noetigen Versorgungssicherheit. Dazu befasse ich mich viel zu lange und viel zu eingehend mit der Thematik, im Gegensatz zu manch anderem Traeumer. Ich bin sicher, ohne Chemie duerfte kaum eine Kartoffel jemals marktfaehig zu ernten sein. (Auch die Biobauern spritzen. Kupfer hat auf dem Acker auch nichts zu suchen)

Und gegen diverse Pilzerkrankungen duerfe es auch kaum ein Heilmittel geben. Ich gehoere sicher nicht zu den Traeumern, den Extremisten unter den Biobefuerwortern, die in einer Traumwelt leben, aber von der Materie oft herzlich wenig Ahnung haben. In der Theorie ist Bio eine tolle Sache. Ob damit aber ein Industrieland wie Deutschland wirklich sicher zu versorgen ist, wage ich zu bezweifeln.

Zuckerrüben
Klar, weniger Chemie bedeuetet weniger Ernte. Aber, hat es nicht auch Vorteile?

Wie waere es denn mit einem Mittelweg

Lenken wir doch die Zuechtung viel mehr in Richtung Resistenzen und nicht so sehr in Richtung Ertrag. Haette man damit schon vor 50 Jahren angefangen, waeren viele Probleme gar nicht existent. Haetten wir all das Geld, was in die chemische Forschung geflossen ist, in sinnvollere Bereiche umgeleitet, vielleicht haetten wir ja jetzt eine Kartoffelsorte, die gegen die Krautfaeule wenigstens tolerant ist. Um nur ein Beispiel zu nennen.

Ein Acker ist kein Eigentum

Letztendlich sind Landwirte keine Freischaffenden Kuenstler, die Ihre Felder als ihr Eigentum betrachten duerfen. Fuer mich besteht da jedenfalls ein winzig kleiner, aber bedeutender Unterschied zu einem Maler. Der kann auf die Leinwand pinseln was er will. Damit schadet er niemandem. Was da aber an Chemie in der Natur verteilt wird, landet letztendlich in unser aller Umwelt. In Ihrer, meiner und der unserer Kinder. Spaetestens da hoert der Spass naemlich auf.

Nur um das noch mal klarzustellen. Ich mache dem einzelnen Landwirt keine Vorwuerfe (Ok, wenn denn, dann ganz kleine 🙂 ). Der Landwirt muss auch sehen, dass er am Ende des Jahres sein Auskommen hat. Das steht ausser Zweifel. Wie er aber sein Geld verdient, ob mit Chemie, mit weniger Chemie oder ganz ohne, das kann ihm letztendlich doch egal sein. Und um dieses Ziel zu ereichen, muessen von Seiten der Verbraucher, aber vor allem von Seiten der Politik, die Weichen richtig gestellt werden. Nur sehe ich da eher wenig Willen. Sehr traurig. Denn, mir scheint, auch die Politik spuert den Gegenwind nicht. Sehr Schade.

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Eine Antwort

  1. Hallo Ralf,

    erst einmal ein Dankeschön für die tolle Arbeit, die Du hier leistest. Chapeau.

    Zu Deinen Fragen hinsichtlich der Landwirtschaft.

    Es gibt nicht viele Berufsstände, die ein eigenes Ministerium besitzen. Die Landwirte gehören dazu.

    Allerdings bin ich mir nicht sicher, wer von dieser Tatsache mehr profitiert. Die Landwirte oder doch die Industrie?

    Heutzutage ist ein Landwirt Knecht der Industrie. Wer in unserer Gegend Zuckerrüben in der Fabrik abliefern möchte, muss bereits das Saatgut über den Zuckerproduzenten beziehen. Dies läuft unter Begriffen wie Prozesslenkung und Qualitätssicherung. Mag ja stimmen. Ich allerdings vermisse hier das Wort Gewinnmaximierung.

    Letztendlich ist es die Industrie, die den Bauern das Saatgut und die darauf abgestimmten chemischen Mittelchen aufzwängt und als Ausgleich den Ankauf der Produkte garantiert – zu vorgegebenen Preisen und getreu dem Motto „billig einkaufen, teuer an den Endkunden verkaufen.“

    Die Industrie diktiert, die Bauern machen mit, die Politiker machen mit. Und der Verbraucher „will das ja“.

    Für die Bauern hat solch Vertragsanbau ja auch Vorteile. Die Kosten sind kalkulierbar, der Absatz gesichert.

    Nur werden die Stimmen der Verbraucher immer lauter, die diese Art von Landwirtschaft nicht unbedingt gut heißen, die auch die Schattenseiten dieser Bewirtschaftung erkennen und aussprechen, die Patente auf Tiere und Lebensmittel ablehnen, die kein Verständnis für die Saatgutpolitik in Europa aufbringen, die sich fragen, warum Handelssorten schön aussehen müssen und scheußlich schmecken dürfen, die sehen, wie die Natur um uns herum kaputt gemacht wird.

    Da kommt man als Konzern schon mal auf die Idee, idiotische Schilder am Feldrand aufzustellen, die zeigen sollen, dass die chemische Industrie doch gar nichts Böses will.

    Aber wer hat nun Schuld? Die Frage ist relativ leicht zu beantworten: Das Kapital hat Schuld. Es ist diese zerstörerische Gier nach Geld, die alle anderen Werte weltweit überschattet.

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